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„Kulturgruppen“ in der südlichen Oberrheinebene in gallischer Zeit. Verteilung anhand der keramischen Befunde

Eigenschaften

Autor und Institut Muriel Roth-Zehner, Archéologie Alsace
Historische Zeiträume Vor- und Frühgeschichte
Themen Besiedlung - Kunst und Architektur - Handwerk und Industrie - Territorien
SkalaOberrhein/Fossé rhénan
KartennetzentwurfLambert II étendu
Entstehungsdatum2013
Datum der letzten Änderung2013
QuelleCarte originale
Diese Karte zitierenMuriel Roth-Zehner, « „Kulturgruppen“ in der südlichen Oberrheinebene in gallischer Zeit. Verteilung anhand der keramischen Befunde », in Atlas historique d'Alsace, www.atlas.historique.alsace.uha.fr, Université de Haute Alsace, 2013

Erläuterungen zur Karte

Die Untersuchung der Keramiken aus gallischer Zeit (Spätlatène: 170/150 v. Chr. – 40/30 v. Chr.) hat ergeben, dass wir es in der Oberrheinebene mit mehreren „Kultur-Gruppen“ zu tun haben. Eines der Instrumente zur Identifizierung dieser unterschiedlichen Einheiten ist die Analyse der häuslichen Gerätschaften, insbesondere die genaue Untersuchung der Gebrauchskeramik, worunter man den in einer Hausgemeinschaft verwendeten Geschirrsatz versteht, dessen Herstellungstechniken von Generation zu Generation weitergegeben wurden.

Was die Gebrauchskeramik betrifft, lassen sich Unterschiede am deutlichsten für Vorrats- und Kochtöpfe festmachen: Die Formen der Gefäße, aber auch die Zusammensetzung des Tons weichen von der einen zur anderen Gruppe signifikant voneinander ab.

 Im südlichen Elsass zeigen Vorrats- und Kochtöpfe einen nach außen gebogenen Rand sowie einen deutlich abgesetzten Gefäßhals. Auf Schulter (Nagelmuster und Variationen des Halbmondmotivs) und Bauch (Kammmuster) finden sich systematisch Verzierungen. Der Ton ist mit Goldglimmer gesättigt, den man zur Magerung verwendete (Zusatz mineralischer oder pflanzlicher Partikel zur Verbesserung der Formbarkeit und Feuerfestigkeit des Tons).

Im nördlichen Elsass besitzen die Töpfe Ränder in „Keulenform“, jedoch keine Verzierungen. Anstelle des Goldglimmers finden sich zerkleinerte fossile Muschelschalen, die man aus den vor Ort anstehenden Sedimentschichten bezog.

Eine dritte Gruppe zeichnet sich im „krummen Elsass“ ab. Die Formen der Gebrauchskeramik unterscheiden sich von denen der anderen beiden Gruppen, doch ist auch hier der Ton mit zerkleinerten Fossilien gemagert. Da sich die Funde zur Zeit auf wenige Vorkommen beschränken, lässt sich diese dritte Gruppe bislang nur mit aller Vorsicht bestimmen.

 Die südliche Gruppe geht räumlich über die Grenzen des Départements Haut-Rhin und über den Rhein hinaus: Sie umfasst den Südteil des Départements Bas-Rhin bis Innenheim (20 km süd-westlich von Straßburg), das gesamte Oberelsass, das südliche Baden vom Kaiserstuhl bis Basel und bis zum Rand des Schwarzwalds, den gesamten Kanton Basel und einen Teil des Schweizer Juras sowie des Aargaus und schließlich den nördlichen Teil des Kantons Solothurn.

Die nördliche Gruppe lässt sich im nördlichen elsässischen Rheintal bis hinauf nach Mainz verorten, jedoch nur auf der linksrheinischen Seite.

Die Gruppe des „krummen Elsass“ findet sich in der so bezeichneten Gegend („Alsace Bossue“), also auf den ersten Anhöhen des lothringischen Plateaus.

 Die südliche Gruppe bleibt während der gesamten gallischen Zeit innerhalb dieses Gebiets, bis etwa gegen 60-40 v. Chr. (von La Tène D2b an). In dieser Zeit lässt sich ein Vorrücken der Bevölkerung Richtung Norden feststellen. Einige Fundstellen weisen sowohl Material der nördlichen als auch der südlichen „Gruppe“ auf.

Dasselbe gilt für die nördliche Gruppe. Diese entwickelt und verschiebt sich: Ein erster Kern lässt sich zu Beginn der gallischen Zeit im Norden des elsässischen Rheintals beobachten. Die Gruppe findet sich dann, am Ende desselben Zeitabschnitts, in einem Teil der Pfalz und in Hessen; zu Beginn der Römerzeit entfaltet sie sich schließlich bis hinauf zur Mündung des Mains.

 Die Zuweisung dieser Gruppen zu bestimmten gallischen oder germanischen Stämmen, die wir aus antiken Texten kennen, ist alles andere als leicht. Dennoch können wir einige Vorschläge wagen.

Die Verteilungskarte der südlichen Gruppe entspricht dem allgemein den Raurakern zugewiesenen Territorium. Der Stamm wird in einigen Texten erwähnt: Caesar (Gallischer Krieg, I, 29) liefert eine summarische geographische Beschreibung, doch haben andere Autoren die Rauraker „vergessen“ oder schlagen ihr Gebiet den Sequanern (Strabon, Geographie IV, 3, 3-3, 4) oder den Helvetern (Tacitus, Germania, XXVIII; Ptolemaios, Geographie II, 11, 6) zu. Die Lückenhaftigkeit der Quellen bzw. die Verwechselung der Rauraker mit anderen Stämmen lassen sich indes erklären: So ist es nicht ausgeschlossen, dass die Rauraker einen pagus (Kanton, Bezirk) der Sequaner bildeten; ferner könnte ihre aktive Teilnahme an der helvetischen Wanderung (Caesar, Gallischer Krieg I, 5) erklären, warum man sie mit diesen durcheinanderbrachte. Vor allem aber scheint die Gründung einer Kolonie namens Augusta Raurica (Augst) im Zentrum eben dieses Territoriums die Annahme zu bestätigen, dass wir uns hier im Gebiet dieses gallischen Stammes (der Rauraker) befinden.

Die Zuweisung der nördlichen Gruppe ist weitaus schwieriger: Das Problem liegt in seiner Ausdehnung bis nach Mainz und der daraus resultierenden fehlenden Übereinstimmung mit den Nachrichten der antiken Texte. Während der gallischen Zeit teilen sich die Mediomatriker (im Süden) das Gebiet mit den Trevirern (im Norden). Von Beginn der Römerzeit an wird es in drei verschiedene Zonen unterteilt, die von Süden nach Norden den Tribokern, den Nemetern und den Vangionen gehören. Die Identität des Stammes, der von da an die nördliche elsässische Rheinebene besiedelt, ist unbekannt: Vielleicht handelt es sich, wie im Falle der Rauraker, um einen pagus der Mediomatriker oder der Trevirer.

 In unserem Gebiet sind schließlich zwei verschiedene gallische Potinmünzen verbreitet: innerhalb der nördlichen Gruppe sind Potinmünzen mit Wildschwein (auch: Leuker- Potin) gebräuchlich; in den Siedlungen der südlichen Gruppe finden sich Potinmünzen vom Typ „grosse tête“ (auch: Sequaner-Potin). Die unterschiedliche Verteilung, die der Verteilung der Gebrauchskeramik entspricht, bestätigt die Annahme, dass wir es mit zwei Kulturgruppen, aber auch mit zwei verschiedenen politischen Einheiten zu tun haben, die sich dem Norden und dem Süden des Oberrheintals zuweisen lassen.

 Bibliographie

  • BLOECK Markus, BRÄUNING Andrea, DESCHLER-ERB Eckhardt, FISCHER Andreas, HECHT Yolanda, MARTI Reto, NICK Michael, RISSANEN Hannele, SPICHTIG Norbert, ROTH-ZEHNER Muriel, « Die spätlatènezeitliche Siedlungslandschaft am südlichen Oberrhein », in L'âge du Fer entre la Champagne et la vallée du Rhin. La question de la proto-urbanisation à l'âge du Fer, Actes du colloque international de l'AFEAF, Aschaffenburg (D), 13-16 mai 2010, RGZM, 2012, p. 381-418.
  • FICHTL Stephan, « Le Rhin supérieur et moyen du IIe siècle av. J.-C. à la fin du Ier siècle av. J.-C. Quelques réflexions historiques sur les questions de peuplement », in Germania, 78, 1, 2000, p. 21-38.
  • ROTH-ZEHNER Muriel, « Groupes culturels dans la plaine du Rhin Supérieur de la fin de La Tène finale au début de l'époque romaine », in Zwischen Rhein und Rhone – verbunden und doch getrennt? - Entre Rhin et Rhône – liens et ruptures, Actes du colloque de Zürich (4-7 décembre 2001), in Revue Suisse d'Art et d'Archéologie, 60, 1, 2003, p. 43-52 ; « La céramique de La Tène finale et du début de l'époque romaine en Alsace : réflexions sur les groupes culturels », in Bilan scientifique de la région Alsace, Préhistoire et âges des métaux, Hors série 1, 2007, p. 153-158 ; La céramique de La Tène finale et du début de l'époque romaine en Alsace, in Rhin-Meuse-Moselle, Monographies d’Archéologie du Grand-Est, 4, Université de Strasbourg, 2010, 645 p., 266 pl. ; « L’occupation du sol de la vallée de la Bruche à l’âge du Fer », in Oswald G. et Triantafillidis G. (dir.), L’occupation du sol dans la vallée de la Bruche du Néolithique à la fin de l’Antiquité, Projet Collectif de Recherche, Rapport final, décembre 2012, p. 137-172.
  • ZEHNER Muriel, « Groupes culturels dans la plaine du Rhin supérieur à La Tène finale et au début de l'époque romaine », in Actes du XXIVème Colloque International de l'AFEAF (1er-4 juin 2000), 2002, p. 329-337.

 

Muriel Roth-Zehner, 2013.