Historischer Atlas des Elsass, die Geschichte des Elsass in Karten
Eigenschaften
Autor und Institut | Alain J. Lemaître, CRESAT | |
Historische Zeiträume | Frühe Neuzeit | |
Themen | Besiedlung - Handwerk und Industrie - Demographie und Gesellschaft | |
Cartographe | Jean-Philippe Droux, ARCHMIEDE, CNRS | |
Skala | Locale | |
Entstehungsdatum | 2001 | |
Datum der letzten Änderung | 2011 | |
Quelle | PERICHAUT Yann, Les migrations de main d’œuvre vers les manufactures de Mulhouse dans la seconde moitié du XVIIIe siècle, mémoire de maîtrise d’histoire, dir. Alain J. Lemaître, Université de Haute Alsace, Mulhouse, 2001 | |
Diese Karte zitieren | Alain J. Lemaître, « Verteilung der ausländischen Arbeiter in den Mülhauser Kattundruckereien, 1766 », in Atlas historique d'Alsace, www.atlas.historique.alsace.uha.fr, Université de Haute Alsace, 2011 |
Erläuterungen zur Karte
Das ökonomische Wachstum der Mülhauser Fabriken in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zog zahlreiche ausländische Arbeiter an, deren massive Zuwanderung einen demographischen Druck erzeugte, der aufgrund des beschränkten Raumes in der Stadt deutlich spürbar war. Beide Phänomene hatten aufgrund des Spiels von Angebot und Nachfrage unmittelbare Auswirkungen auf den Häuserpreis, während gleichzeitig zahlreiche Hinterhöfe zu Produktionsstäten für Indiennes umgewandelt wurden. Zwar nahm die Stadt auch weiterhin ausländische Arbeitskräfte auf, ein Großteil der Arbeiter wohnte aus diesem Grund aber nicht innerhalb der Stadtmauern, sondern an der unmittelbaren Peripherie Mülhausens – und zwar entweder direkt in den Fabriken oder aber in dörflichen Randzonen. In den Registern wurden sie als „vor den Toren“ wohnend verzeichnet.
Die Verteilung der ausländischen Arbeitskräfte in Mülhausen, wie sie aus der Erfassung der ausländischen Einwohner im Jahr 1766 hervorgeht, lässt zunächst keine räumliche Segregation erkennen. Hochqualifizierte und einfache Handlanger waren gleichermaßen über die fünf Stadtviertel Mülhausens verteilt, in denen Einwohner mit Bürgerrecht, Schutzbürger und Ausländer Tür an Tür lebten. Gleichzeitig war diese Verteilung aber weit von jeder Gleichmäßigkeit entfernt. Im bürgerlichen Stadtteil um die Stephanskirche und das Rathaus herum fanden sich so nur wenige Arbeiter, die meisten ausländischen Arbeitskräfte wohnten vielmehr in den stark bevölkerten Vierteln Oberthor, Jungenthor und Spiegelthor, wo die Druckereibetriebe direkt an das Steinbächlein grenzten.
Die zahlenmäßig größte Gruppe unter den in Mülhausen wohnenden und eingewanderten Arbeiter stellten Schweizer dar; sie waren auch in den meisten Stadtvierteln anzutreffen. In der Minderheit waren sie nur in zwei Zonen: in der Nähe des Baselthors und des Rathauses. In diesen beiden Vierteln machten Arbeiter aus der Grafschaft Mömpelgard (Montbéliard) bzw. aus dem Alten Reich die zahlenmäßig stärkste Gruppe aus. Zwar ist es wenig sinnvoll, für das 18. Jahrhundert von Assimilation zu sprechen, zwei Elemente aber erleichterten die Integration der Zugezogenen: zum einen der Gebrauch der Sprache (auch wenn diese aus zahlreichen Dialekten bestand) und zum anderen eine konfessionelle Praxis, die in den Traditionen der Reformation wurzelte und alle Mülhauser Einwohner miteinander verband. Die aus der Gegend von Mömpelgard, dem Fürstentum Neuenburg (Neuchâtel) und den französischsprachigen Kantonen der Schweizer Eidgenossenschaft stammenden Arbeiter zeichneten sich allerdings durch ein endogames Verhalten aus, das deutliche Unterschiede zu den aus dem Reich bzw. den deutschsprachigen Kantonen der Eidgenossenschaft eingewanderten Arbeitern zeigte.
Deutlicher werden Unterschiede in der Verteilung der ausländischen Einwohner in der Stadt, wenn man das Qualifikationsniveau zugrunde legt. Koloristen, Zeichner, Graveure und Drucker lassen sich natürlich im Umkreis aller wichtigen Fabriken wiederfinden, vor allem aber ließen sie sich im Stadtzentrum nieder. Aufgrund ihrer wirtschaftlich relativ stabilen und finanziell interessanten Situation konnten sie sich bei Bürgern bzw. in den besten Mülhauser Wohnstätten einmieten. Aus den Reihen dieser qualifizierten Arbeiterschaft (Zeichner, Graveure, Drucker) gingen auch die ersten Heiratsverbindungen zur einheimischen Bevölkerung hervor, sei es zu Einwohnern mit Bürgerrecht oder aber, was häufiger der Fall war, zu Schutzbürgern. Im Gegensatz dazu war die große Mehrheit der Arbeiter schlecht bezahlt und schutzlos den ökonomischen Fluktuationen sowie der in den Wintermonaten allgemein üblichen Arbeitsunterbrechung in den Manufakturen ausgeliefert. Ohne jede Aussicht auf sozialen Aufstieg wohnten sie in heruntergekommenen Behausungen („miserable logiert“, „in einem geränden Zustand“) und zogen die normsetzende Aufmerksamkeit sowohl der Stadtobrigkeit als auch der Fabrikanten selbst auf sich.
Übersetzung: Falk Bretschneider
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