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Das territoriale „millefeuille“ im Elsass am Vorabend der Revolution: französische Souveränität und auswärtige Grundherrschaften

Das territoriale „millefeuille“ im Elsass am Vorabend der Revolution: französische Souveränität und auswärtige Grundherrschaften Vergrößern

Eigenschaften

Autor und Institut Daniel Fischer
Historische Zeiträume Frühe Neuzeit
Themen Machtträger - Territorien
CartographeC. Wisniewski, J. P. Droux, AHA
SkalaAlsace
Entstehungsdatum2011
Datum der letzten Änderung2011
QuelleCarte originale
Diese Karte zitierenDaniel Fischer, « Das territoriale „millefeuille“ im Elsass am Vorabend der Revolution: französische Souveränität und auswärtige Grundherrschaften », in Atlas historique d'Alsace, www.atlas.historique.alsace.uha.fr, Université de Haute Alsace, 2011

Erläuterungen zur Karte

Das territoriale „millefeuille“ im Elsass am Vorabend der Revolution: französische Souveränität und auswärtige Grundherrschaften

Zahlreiche Autoren und Kartographen haben bereits auf den Eindruck politischer Vielfalt hingewiesen, der sich aus der starken territorialen Zersplitterung der Provinz in der Frühen Neuzeit ergibt. Es ist offensichtlich, dass das Elsass auch 1789 noch ein Mosaik aus nebeneinander stehenden, kleinen und großen Grundherrschaften geblieben war – trotz anderthalb Jahrhunderten französischer Herrschaft und den mit ihr einhergehenden Homogenisierungsbemühungen der französischen Krone. All jenen, die der Versuchung nachgeben wollten, in diesem Durcheinander nach einem Sinn zu suchen, setzte A. G. F. X. Loyson in seinem Text „L’Alsace féodale“ (1887) entgegen: „Die Lehen des Elsass folgen ihren eigenen Gesetzen. […] Wollte man ihren Umfang und die mit ihnen verbundenen Rechtsakte nach den Maximen des französischen Rechts ermitteln, unterläge man einer seltsamen Täuschung.“ 

Ältere Karten, die zum Elsass der Feudalzeit um 1789 vorliegen (von Hallez-Claparède aus dem Jahr 1859, von Fallex aus dem Jahr 1921) bieten eine interessante, aber unzureichende Basis. Denn der Umfang der grundherrlichen Besitzungen im Elsass, die nur selten in einer Hand lagen, muss mit mehreren Quellen abgeglichen werden: den in den Beschwerdeheften (Cahiers de doléances) enthaltenden Daten (die für das Oberelsass zahlreicher überliefert sind als für das Unterelsass, wo für den ländlichen Bereich nur 10% der Hefte aufgefunden wurden), den Akten der Serie Q (Nationalgüter) in den Archiven der Departements Haut-Rhin und Bas-Rhin sowie der nach Ämtern sowie grundherrlichen Besitzern geordneten Liste der Pfarrbezirke, die 1860 von Frédéric-Charles Heitz angefertigt und veröffentlicht wurde (diese Arbeit kann als durchaus zuverlässig gelten, wenn man von einigen Details absieht, etwa einzelnen Dörfern, die nur einem Gut zugeordnet wurden, in Wirklichkeit aber im Besitz mehrerer Grundherren waren). 

Die sich an der Organisation der Pfarrbezirke orientierende Karte hebt das Gewicht jener Grundherrschaften hervor, die im Besitz auswärtiger Fürsten waren. Diese wurden im Elsass als „besitzende Fürsten“ bezeichnet. Die bekanntesten unter ihnen waren der Herzog von Zweibrücken, der Landgraf von Hessen-Darmstadt (der 1736 die Grafschaft Hanau-Lichtenberg geerbt hatte) und Honoré IV von Grimaldi, Herzog von Valentinois. Dieser brachte durch seine 1777 geschlossene Ehe mit der Herzogin von Mazarin die Grafschaften Pfirt/Ferrette und Belfort sowie die Herrschaften Delle, Thann, Altkirch und Isenheim/Issenheim in den Besitz der Fürsten von Monaco. Auf der anderen Seite besaßen einheimische Grundherren wie der Fürstbischof von Straßburg oder der Fürstabt von Murbach umfangreiche Domänengüter und hatten Sitz und Stimme auf dem Regensburger Reichstag. Qua Amt gehörten sie demnach ebenfalls zum Alten Reich. Einige unter ihnen, wie beispielsweise der Kardinal von Rohan, spielten später mit dieser doppelten deutsch-französischen Identität, um während der Französischen Revolution ihren Verfolgern zu entkommen.

Zwei Schlussfolgerungen lassen sich aus dieser Karte ziehen: Zum einen wurde der Raum in seiner geographischen Kontinuität nicht von den Grenzen unterbrochen. Die auswärtigen Grundherren besaßen vielmehr aneinander angrenzende oder sich in mehreren Händen befindende Güter im Alten Reich und im Elsass oder in anderen französischen Provinzen (die Fürsten von Salm und Leiningen-Dagsburg beispielsweise in den Vogesen oder die Herzöge von Württemberg in der Franche-Comté). Diese Beobachtung gleicht einer Banalität, denn das Elsass blieb bis 1789 eine dem „tatsächlichen Ausland gleichgestellte“ Provinz. Die Zollgrenze etwa befand sich in den Vogesen – und nicht auf dem Rhein. Zum anderen läuft man jedoch Gefahr, einer nur teilweise gültigen Version der Wirklichkeit aufzusitzen, wenn man dauerhaft von einem „territorialen Mosaik“ als Ausdruck für die starke Zerstückelung des Elsässer Bodens spricht. Vielleicht sollte der Ausdruck deshalb durch eine andere Metapher ersetzt werden – der des „millefeuille“ [eine aus Schichten von Blätterteig und Creme zusammengesetzte Patisserie, Anm. d. Ü.] –, die auf eine nicht nur horizontale, sondern auch vertikale Auffächerung der Herrschaftsrechte verweist. Denn in der Tat besaß Frankreich zwar die Oberhoheit über die Provinz, garantierte aber gleichzeitig die Vorrechte der auswärtigen Fürsten, deren Ansprüche in den Artikeln des Westfälischen Friedens vertraglich zugesichert worden waren. Im 18. Jahrhundert wurden diese Rechte in mehreren Abkommen zwischen der französischen Krone und den Fürsten bestätigt und präzisiert. Die Folge dieser Situation waren verwickelte Rechtsverhältnisse, die sich kartographisch kaum abbilden lassen. So konnten Hoch- und Niedergerichtsbarkeit in den Händen verschiedener Grundherren liegen, oder mehrere von ihnen teilten sich den Besitz eines Dorfes (bzw. einzelner Teile davon). Das Dorf Jebsheim im Unterelsass war so in 16 Einheiten mit verschiedenen Besitzern aufgeteilt. 

1792 wurden die Güter der „besitzenden Fürsten“ nach dreijährigen Verhandlungen kurzerhand von der Revolution konfisziert. Erst ihr gelang also, was die französische Monarchie nicht vermocht hatte: aus den Elsässern Franzosen zu machen. Denen unter seinen Kollegen, die sich mit der Geschichte des Elsass in der Revolutionszeit vor allem aus Gründen anti-französischer Nostalgie beschäftigten, hielt Heitz deshalb entgegen, dass „kein vernünftiger Mensch ernsthaft die einstige Zersplitterung des Territoriums vermissen könne, diese sich ins Unendliche steigernde Aufteilung der Souveränität, für die unserer Provinz mehr als jede andere ein abschreckendes Beispiel geliefert hat“.

Quellen:

  • DEZAUCHE (J.-A.), Alsace et Lorraine, Paris, Dezauche, 1785.
  • FALLEX (Maurice), L’Alsace, la Lorraine et les Trois Évêchés du début du XVIIe siècle à 1789, Paris, Delagrave, 1921.
  • HALLEZ-CLAPAREDE, Carte historique de l’Alsace à l’époque de sa réunion à la France, 1859.
  • HEITZ (Frédéric-Charles), L’Alsace en 1789: Tableau des divisions territoriales et des différentes seigneuries de l’Alsace existant à l’époque de l’incorporation de cette province à la France, Straßburg, Librairie F.-C. Heitz, 1860. 
  • PELZER (Erich), Les cahiers de plaintes et doléances de Haute-Alsace, Straßburg, Société savante d’Alsace et des régions de l’Est, 1989.
  • STEEGMANN (Robert), Les cahiers de doléances de la Basse Alsace: textes et documents, Straßburg, Oberlin, 1990.

Literatur:

  • CONDAMINE (Pierre de la), Une principauté de conte de fées: Salm en Vosges, Paris, Éditions du Palais Royal, 1974. 
  • FISCHER (Dagobert), Histoire de l’ancien comté de Saarwerden, in: Revue d’Alsace 6 (1877), S. 103-124, 177-206, 475-603 und 7 (1878), S. 101-126, 244-264, 378-400, 487-524.
  • FISCHER (Daniel), La France révolutionnaire et l’affaire des princes d’Empire possessionnés en Basse Alsace (1789-1801), mémoire de maîtrise sous la direction de Jean-Michel BOEHLER, Straßburg, 2004.
  • HOFFMANN (Charles), L’Alsace au XVIIIe siècle au point de vue historique, judiciaire, administratif, économique, intellectuel, social et religieux, 4 Bde., Colmar, Henri Huffel, 1904-1907.
  • LUDWIG (Theodor), Die Deutschen Reichstände im Elsass und der Ausbruch des Revolutionskriege, Straßburg, Karl Trübner, 1898.
  • KÖLLNER (Friederich), Geschichte des vormaligen Nassau-Sarbrückschen Landes und seiner Regenten, Saarbrücken, Heinrich Arnold, 1841.
  • ROBIN (Pierre), Le séquestre des biens ennemis sous la Révolution française, Paris, Spes, 1929.


Übersetzung: Falk Bretschneider

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