Historischer Atlas des Elsass, die Geschichte des Elsass in Karten
Eigenschaften
Autor und Institut | Jean-Michel Boehler | |
Historische Zeiträume | Frühe Neuzeit | |
Themen | Machtträger - Territorien | |
Cartographe | Jean-Philippe Droux, ARCHMIEDE, CNRS | |
Skala | Alsace | |
Entstehungsdatum | 1994 | |
Datum der letzten Änderung | 2008 | |
Quelle | Jean-Michel Boehler : Une société rurale en milieu rhénan : la paysannerie de la plaine d’Alsace (1648-1789), Strasbourg, 1994, t. I, p. 132-133. | |
Diese Karte zitieren | Jean-Michel Boehler, « Die Provinz Elsass zu Beginn des 18. Jahrhunderts: Grenzen und Mosaik der Grundherrschaften », in Atlas historique d'Alsace, www.atlas.historique.alsace.uha.fr, Université de Haute Alsace, 2008 |
Erläuterungen zur Karte
Sofort ins Auge fällt an dieser Karte die bunt gescheckte politische Landschaft der Provinz. Diese war das Ergebnis eines langen Prozesses seit dem Mittelalter, dessen Wirkungen auch nach den Verträgen des Jahres 1648 noch spürbar waren. In der Folge der Vereinbarungen des Westfälischen Friedens trat nun der französische König an die Stelle des Kaisers und nahm die bislang von diesem ausgeübten Souveränitätsrechte wahr. Dabei überließ er jedoch den elsässischen Grundherren – ob Einzelpersonen oder Korporationen – die an die Territorialhoheit gebundenen althergebrachten Rechte. Die Verträge waren zwar mehrdeutig, die königliche Autorität behauptete sich zunehmend und die „Vereinigungen“ lösten einander ab; dennoch war eine solche Politik, die in die existierenden Strukturen zum Zeitpunkt des Anschlusses der Provinz an das Königreich nicht grundsätzlich eingriff, aber kaum geeignet, den politischen Raum zu vereinheitlichen. Auch wenn sich die Monarchie in ihrem Streben nach einer Zentralisierung der Verwaltungsstrukturen im Elsass bemühte, durch die Zwischenschaltung von Intendant und Conseil Souverain eine institutionelle Vereinheitlichung dieser erst seit Kurzem zu Frankreich gehörenden Provinz zu erreichen, kommt angesichts der territorialen Zersplitterung deshalb unweigerlich die Kleinstaaterei im deutschen Heiligen Römischen Reich in den Sinn.
Die Provinz glich somit einem Mosaik aus unterschiedlichen politischen und religiösen Zugehörigkeiten. In diesem traten freilich die ehemals österreichischen Besitzungen im Oberelsass hervor. Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts waren sie als Lehen des französischen Königs an die Mazarin gegangen. Als Grundherren erbte diese Familie somit in den „altherrschaftlichen“ Territorien Güter und Feudalrechte, die vormals zu den Besitzungen des Hauses Habsburg gehört hatten und – wie das Breisgau oder Tirol – zu den vorderösterreichischen Ländern gezählt worden waren. Trotz der herausgehobenen Position der Oberlandvogtei Hagenau verlor ein solcher französischer Einfluss jedoch an Kraft, je weiter man in die „neuherrschaftlichen“ Gebiete kam. Dort konnte sich eine gewisse Form von Autonomie erhalten, die sich als Haupthindernis für die königlichen Machtansprüchen und eine auf die Monarchie ausgerichtete Zentralisierung (beides charakteristische Kennzeichen des frühmodernen Staates des 18. Jahrhunderts) erweisen sollte. Zu den größten Besitzungen zählten die Ländereien der Grafen von Württemberg und der Grafen von Rappoltstein/Ribeaupierre sowie die Gebiete unter der Herrschaft der Herzöge von Pfalz-Zweibrücken. Umgeben waren diese Territorien jeweils von einem Flickenteppich aus mitunter winzigen weltlichen oder kirchlichen Herrschaften. Die Grafschaft Hanau-Lichtenberg umfasste ein Dutzend Elsässer Ämter, auch im Fall der Bischofsresidenz Zabern waren es kaum mehr. Etwa zehn Grundherrschaften verteilten sich auf das Outre-Forêt (Hinterm Wald), auf die Stadtrepublik Straßburg mit ihren angrenzenden Landämtern sowie auf zahlreichen Mitglieder der reichsunmittelbaren Ritterschaft des Elsass (von denen sich manche ein oder sogar mehrere Dörfer teilten). Hingewiesen werden muss schließlich darauf, dass auch kirchliche Institutionen – etwa die Abteien Andlau, Murbach und Münster sowie die Bistümer Speyer, Straßburg und Basel – über einen beachtlichen Landbesitz nebst den dazugehörigen Gerichtsrechten verfügten.
Auffallend ist darüber hinaus das Fehlen von klar gezogenen Grenzen. Eine Ausnahme machten vielleicht die naturräumlichen Grenzen, also Rhein und Vogesen; auch diese aber waren alles andere als scharfe Scheidelinien. Der Rhein jedenfalls verhinderte nicht, dass sich einige Grundherrschaften – die der Rappoltstein/Ribeaupierre etwa oder die der Württemberger, die mit den Mömpelgard/Montbéliard verwandt waren – zu beiden Seiten des Flusses erstreckten. Der Markgraf von Baden besaß hingegen einen Brückenkopf in Beinheim, die Grafschaft Hanau-Lichtenberg zählte im Gegensatz dazu drei Ämter auf der rechten Flussseite. Die Queich im Norden wiederum war nie ein Hindernis für die Verbindungen zur Pfalz: Die Mitglieder der pfälzischen Familie hatten ihre Antennen in Kleeburg, Seltz und Bischweiler, und das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken verteilte sich zu beiden Seiten einer Linie, die man heute als Grenze anzusehen geneigt sein könnte. Auch im Süden lassen sich fließende Übergänge ausmachen, sowohl in Richtung Franche-Comté als auch zur Eidgenossenschaft hin (die Reichsstadt Mülhausen gehörte ihr bis 1798 als ein zugewandter Ort an). Im Westen schließlich war es ganz natürlich, dass die lothringischen Adelsgeschlechter – die Grafen von Linange oder die Grafen von Veldenz – Ländereien auf der Elsässer Seite der Vogesen besaßen (und zwar in der Gegend von Dagsburg und Lützelstein/La Petite Pierre).
Mit hoher Beständigkeit zeichnete sich die politische Gliederung des Elsass während des Ancien Régime also durch ein charakteristisches Mosaik aus unterschiedlichen Herrschaftszugehörigkeiten und durch poröse politische Grenzen aus, die eher Einflusszonen waren als echte Hürden.
BOEHLER (Jean-Michel), Une société rurale en milieu rhénan: la paysannerie de la plaine d’Alsace (1648-1789), Straßburg, 1994, Bd. I, S. 132-133.
Übersetzung: Falk Bretschneider
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