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Agrar-Statistik aus dem Jahr 1837: Produkte aus dem Elsass

Eigenschaften

Autor und Institut Jean-Michel Boehler
Historische Zeiträume Neuzeit
Themen Landschaften - Landwirtschaft und Landleben
CartographeJean-Philippe Droux, ARCHMIEDE, CNRS
SkalaAlsace
Entstehungsdatum1983
Datum der letzten Änderung2010
QuelleCarte originale
Diese Karte zitierenJean-Michel Boehler, « Agrar-Statistik aus dem Jahr 1837: Produkte aus dem Elsass », in Atlas historique d'Alsace, www.atlas.historique.alsace.uha.fr, Université de Haute Alsace, 2010

Erläuterungen zur Karte

Agrar-Statistik aus dem Jahr 1837: Produkte aus dem Elsass

Die Administration der Präfektur legte Anfang des 19. Jh. Wert auf die präzise und vollständige Erfassung der Organisation der Region. Aus diesem Grund sind eine Reihe von statistischen Auskünften aus den Jahren 1801 sowie 1804, 1815, 1825 und 1837 verfügbar. Diese sind in Form von Tabellen für jede Gemeinde vorhanden. Die Daten erweisen sich für Historiker als sehr nützlich. Die 1837 lancierte landwirtschaftliche Statistik ist die umfassendste der vorhandenen Erhebungen und dürfte die Flächennutzung im Jahr 1836 zuverlässig wiedergeben. Der Zeitpunkt, zu welchem die Statistik angefertigt wurde, ist insofern interessant, als dass sie das ländliche Elsass abbildet, welches sich dem Höchststand der Bevölkerungszahlen annähert sowie die Entwicklung im 20. Jh. hin zu einer technisierten und mechanisierten Landwirtschaft noch vor sich hat. Die Absichten der Machthaber haben sich dabei seit den états de l’Intendance nicht grundlegend verändert. Die Existenz der Bevölkerung – und somit auch die öffentliche Ordnung in der Stadt – sollte gesichert werden. Die Machthaber wollten aus diesem Grund wissen, ob die Ressourcen, welche von der Landwirtschaft zur Verfügung gestellt werden, den Bedarf der verschiedenen Gemeinden abdecken und ob Überschüsse für den Handel verfügbar sind. Die Realisierung dieses Vorhabens ist – trotz der Fortschritte der statistischen Werkzeuge im 19. Jahrhunderts – etwas zweifelhaft. Berechnungsfehler und nur ungefähre Auswertungen der lokalen Autoritäten führten teilweise dazu, dass die Präfekturen Daten korrigierten. Anpassungen der Daten wurden beispielsweise vorgenommen, wenn die Angaben im Vergleich mit den Vorjahreszahlen fragwürdig oder unwahrscheinlich erschienen.

Die Schätzung der Flächen der einzelnen Anbautypen stellte nur die erste Etappe eines ambitionierten Verfahrens dar. Der Prozentsatz, welcher hier anstelle der Nominalzahlen in den Originaldokumenten eingeführt wird, ermöglicht zwar eine Minderung der Fehlerquote, kann aber nicht mehr bieten als Größenordnungen, fern der mathematischen Gewissheiten, welche Historiker erreichen möchten. Schließlich sind die vorliegenden Karten nicht zum Vergleich untereinander geeignet. Unsere Entscheidung, auf der Karte nur die Fläche der einzelnen Anbautypen im Verhältnis zur Gesamtfläche der landwirtschaftlich genutzten Fläche abzubilden, bringt zwangsläufig mit sich, dass die Daten zur Produktivität der einzelnen Anbautypen und somit auch der Grad an Technisierung in den verschiedenen Landwirtschaftsbereichen verschleiert werden.

Trotzdem kommen hinter den traditionellen Gleichgewichten einige grundlegende Trennungslinien zum Vorschein. Zum einen die Trennungslinie, welche die landwirtschaftlich genutzten von den brach liegenden Flächen trennt. Die Brachflächen nehmen dabei kontinuierlich ab. Ihr Anteil an der landwirtschaftlich genutzten Fläche beträgt nicht viel mehr als 15%, obwohl ihr laut traditioneller Dreifelderwirtschaft eigentlich mehr als 30% zustehen würden. Dieser Rückgang ist zurückzuführen auf die Diversifizierung des Anbaus und den komplexer werdende Fruchtwechsel, die intensiveren Nutzung von Düngemittel sowie den Einsatz vieler Arbeitskräfte auf den Feldern. Diese Entwicklungen in der Landwirtschaft sind insbesondere den Regionen mit relativ fruchtbaren Böden zugute gekommen, etwa zwischen dem östlichen Sundgau und der Region Outre-Forêt/ Hinterm Wald, der Ebene bei Erstein sowie dem Kochersberg. In den Hügelketten des Sundgaus und in den Vorläufern der Vogesen hatten diese Entwicklungen in der Landwirtschaft wenig Auswirkungen. 

Traditionell wurde der größte Teil der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen zum Anbau von Lebensmitteln, d.h vor allem zum Getreideanbau genutzt. Tatsächlich aber ist die Grenze zwischen Anbau von Lebensmitteln und von Nahrungsmittel, welche als Tierfutter gedacht waren, schwierig zu ziehen. Grund dafür ist die Entwicklung hin zum Anbau von Getreide, Wurzel- und anderem Gemüse, welche sowohl dem Menschen als Lebensmittel dienen als auch den Tieren als Futtergrundlage oder -zusatz verfüttern werden konnte. Als Beispiele können hier Gerste und Hafer, Rote Bete, Steckrüben, Ackerbohnen, Erbsen und Linsen genannt werden. In diesem Zusammenhang muss jedoch festgehalten werden, dass diese „landwirtschaftliche Revolution“, – d.h die neue Festlegung von Futter- und Lebensmittelanteilen in den Anbaugebieten – für die Regionen, in welchen viel Getreide angebaut wird, nur bedingt zutrifft.

Die Karte zum Weinanbau suggeriert große regionale Unterschiede bezüglich Anbauflächen. Dieser Eindruck täuscht jedoch. Der Weinbau war auch im Flachland integraler Bestandteil der Mischkultur, welche die Existenz der Bevölkerung sichern sollte. Nur im Gebiet des Ried und dessen Ausläufer ins Oberelsass wurde aus geografischen Gründen kein Wein angebaut. Als Wirtschaftszweig, welcher die Besiedlung einer Region zur Folge hat und diese so aufwertet, ist der Weinanbau einerseits in der Lage, auch einer Region mit hoher Bevölkerungsdichte genügend Arbeitsplätze zu generieren. Grund dafür ist in den Tätigkeiten zu suchen, die in diesem Wirtschaftszweig anfallen. Andererseits bietet der Weinbau interessante Möglichkeiten für Nebeneinkünfte für die ansässige Bevölkerung durch den Handel mit eventuellen Überschüssen. So konnte auch die wiederholte Einführung von einschränkenden Vorschriften des königlichen Intendanten im Laufe des gesamten 18. Jahrhunderts dem blühenden Weinanbau nichts anhaben.

Die traditionelle Vorherrschaft des Getreideanbaus drückte sich aus in der Vielfalt der angebauten Getreidesorten. Die Fülle an verschiedenen Getreidearten ist einerseits auf die Fruchtbarkeit der Böden zurückzuführen und andererseits ein Spiegel der sozio-ökonomischen Lebensbedingungen des beschriebenen Milieus, d.h dem Lebensstandard und dem kommerziellen Potential. Parallel dazu hat sich auch der Kartoffelanbau gut entwickelt. Weiter ist das Aufkommen der kommerziellen bzw. industriellen Landwirtschaft zu beobachten, welche die angebauten Produkte vornehmlich für den Handel und nicht zum Eigengebrauch produzierte. 

Zwischen einem Drittel und der Hälfte der gesamten Getreideanbaufläche wurde mit Weizen bepflanzt. Der Anbau erfolgte vornehmlich im Lössgebiet sowie im Umkreis der Städte, die aufgrund ihrer hohen Weißbrot-Nachfrage einen guten Absatzmarkt für den Weizen darstellten. Im 19. Jahrhunderts war der Anbau des Weizens so stark verbreitet wie nie zuvor im Vergleich zu dem des Dinkels, aus welchem sich ebenfalls Weißbrot herstellen lässt. Der Weizenanbau wurde in der Folge auch auf weniger fruchtbare und trockene Böden ausgeweitet. Dies war möglich aufgrund seiner Unempfindlichkeit gegenüber Bodenbeschaffenheit und Klima, was einen unbestreitbaren Vorteil darstellt.

Zunehmend wurde auch der Roggen erfolgreich angebaut. Dieser hat den Ruf, dass ihm Kälte, Schnee, Sturm und Starkregen nichts ausmachen, dass er sich gut an mageren Boden anpasst, wenig Dünger benötigt sowie aufgrund seines schnellen Wachstums gut vor Unkraut geschützt ist. Er mag weder feuchte noch kalte Böden. Auf den sandigen Böden der Deltas von Moder, Zorn und Breusch/ Bruche, den Ausläufern der Berge sowie nahe des Hardtwaldes bei Colmar und dem Heiligen Forst (Forêt de Haguenau) gedeiht er hingegen sehr gut. Das Oberelsass bietet ihm einen idealen Standort. Nicht einmal der fortschreitende Weizenanbau führte zur Verdrängung des Roggen. Ein Grund war, dass der Roggen nach wie vor in der Herstellung von Bauernbroten Verwendung fand, da sein Mehl dunkler und preiswerter war als das Weizenmehl. Ein weiterer Grund für die Beliebtheit des Roggen war sein langer, biegsamer aber stabiler Halm, welcher die Erntearbeiter bis Mitte des 20. Jahrhunderts nutzten. Der Roggen war neben dem Weizen und der Gerste ein Bestandteil der Kornmischung (méteil), die zum Zeitpunkt der Aussaat zusammengestellt wurde. Der méteil machte sich so die spezifischen Eigenschaften der einzelnen Getreidesorten zu Nutze. Die Kornmischung hatte den Ruf, den Boden lückenlos zu bedecken, sich den meteorologischen Launen gut anzupassen, durch seine frühzeitige Reifung der sommerlichen Hitzeperiode zu entgehen, dem Starkregen und den Rostpilzen zu trotzen, um am Ende eine zuverlässige Ernte und widerstandsfähiges Stroh zu liefern. Der Karte ist zu entnehmen, dass der méteil zwar in geringerem Maße verbreitet war als der Weizen, jedoch eine gleichmäßigere Verteilung aufweist.

Mit der Gerste und dem Hafer nähern wir uns dem Frühjahresgetreide, das nicht – wie oft fälschlicherweise angenommen – als Futtermittel benutzt wurde. Der Beliebtheit der Gerste ist dabei weniger auf die natürlichen Eigenschaften dieser Getreideart, d.h auf die kurzen Halme, die Widerstandsfähigkeit oder die frühe Vollreife zurückzuführen. Vielmehr war die Gerste aus ökonomischen Gründen begehrt, da sie vielfältig einsetzbar war (Brot-, Brei- und Bierherstellung, Nahrung für Pferde). Dabei kann – auf der Karte nicht zu erkennen – zwischen Brau- und Futtergerste unterschieden werden.

Anders als die Gerste, welche besonders gut in trockenem Klima und auf trockenen Böden gedeiht, passt sich der Hafer den klimatischen Extremen in der Ebene an. Weder eine erhöhte Luftfeuchtigkeit noch mittelmäßige, nasse oder lehmhaltige Böden verhindern sein Wachstum. Im Bereich der Tiernahrung war der Hafer nach wie vor bevorzugtes Pferdefutter und dies trotz florierender Futteranbaukulturen und dem Angebot an Pferdeweiden. Auch als Nahrungsmittel für den Menschen spielte Hafer eine Rolle. Das in Form von Fladen und sauren Suppen angebotene Getreide scheint als Grundnahrungsmittel jedoch nicht die Bedeutung gehabt zu haben, welche es in anderen, allerdings ärmeren Regionen Frankreichs (Bretagne, Auvergne) hatte. Als Lebensmittel kommt dem Hafer im Jahr 1836 nur im südlichen Sundgau und im Krummen Elsass/ Alsace Bossue eine wichtige Rolle zu.

Neben dem oben genannten variantenreichen Getreideanbau, sowie dem Anbau von Buchweizen, Mais und Hirse erlebte der Kartoffelanbau seinen Durchbruch. Die Knolle wurde vornehmlich in den Ausläufern der Berge angepflanzt, wo sie trotz wenig fruchtbarem Boden gedieh. Der Getreideanbau konzentrierte sich hingegen weiterhin im Flachland, welches das Getreideland schlechthin war. Als „Versorger der Armen“ erlaubte es die Kartoffel, auch in dicht besiedelten Regionen die Bevölkerung mit frischen Lebensmitteln zu versorgen. Doch auch in der Schweine- und Geflügelmast war die Kartoffel beliebt.

Auf der Karte kann die „Region der Kartoffel“ klar von der „Region des Getreides“ unterschieden werden, so sehr ergänzten sich die beiden Gebiete.

Die Vielfalt der landwirtschaftlich hergestellten Produkte wird bereichert um den Anbau von ölhaltigen, bzw. zum Färben oder zur Herstellung von Textilien nutzbaren Pflanzen. Als Beispiele für sehr alte Pflanzensorten sind hier Raps und Ölrübsen, der Färberkrapp, Leinen und Hanf zu nennen. Weiter sind der Tabak und der Hopfen (Vertreter der neuen Pflanzensorten) auf dem besten Weg dahin, zum industriellen und somit kommerziell interessanten Anbau zu werden.

Der Stellenwert dieser Pflanzen wird in der Landwirtschaft im Jahr 1836 einerseits an ihren (Anbau-)Eigenschaften bemessen. Andererseits werden sie aus ökonomischer Sicht betrachtet, indem deren jeweilige Anbaufläche im Verhältnis betrachtet wird zur Gesamtfläche der genießbaren Pflanzen. Nicht nur denjenigen Regionen vorenthalten, die mit fruchtbaren Böden und starkem Handel gesegnet sind, macht der Anbau dieser Pflanzen den Vorsprung des Unter- gegenüber dem Oberelsass deutlich.

Der Hanfanbau war sehr aufwändig. Aufgrund der vielen Arbeitsschritte in der Produktion (herausreißen, rösten, zerkleinern, spinnen, weben) waren viele Personen in diesem Wirtschaftszweig beschäftigt. Regionen mit einer sehr hohen Bevölkerungsdichte und somit vielen Arbeit suchenden kam der Hanfanbau sehr entgegen. Nicht nur kleideten die Hanfbetriebe die Bevölkerung ein, sie produzierten auch einen Teil des Öls für den Hausgebrauch. Dabei ist anzumerken, dass das Hanföl hier den gleichen Stellenwert einnahm wie das vornehmlich in der Region Outre-Forêt/ Hinterm Wald ganz im Norden des Elsass produzierte Mohn- und Rapsöl.

Der Hanf war stärker verbreitet als der Leinen, dessen Anbau mühevoll, teuer und der Bodenbeschaffenheit wenig angepaßt war. Aus all diesen Gründen scheint der Anbau des Leinens weniger beliebt gewesen zu sein.

In der Produktion des Färberkrapps sind die spekulativen Absichten jedoch offensichtlich. Dieser auf eine starke Tradition zurückblickende Produktionszweig blieb eine Spezialität der Region um den Kochersberg und der Region um Bischweiler/ Bischwiller, Hagenau, Brumath mit ihren leichten und tiefen Böden. Auf Kosten der Zerstückelung der Anbaufelder des Färberkrapps bauten die Röthmonopolisten diesen Produktionszweig in einen einträglichen Anbau um, welche den Konkurs der Hoffmanns am Ende des Zweiten französischen Kaiserreiches überlebte.

Der Tabakanbau schließlich konzentrierte sich vornehmlich im Süden von Straßburg. Trotz hoher Produktionskosten (Preis der Pflanzen und Bearbeitung) sowie den Unzulänglichkeiten des Handelsrechtes sollte sich der Tabakanbau in der Folge zu einem florierenden Wirtschaftszweig entwickeln. Gleiches gilt für den Anbau des Hopfens, dessen Erfolg vor allem einigen Pionieren im Norden des Elsass zu verdanken ist, die grenzüberschreitende Beziehungen ins benachbarte Baden unterhielten. 

Zusammenfassend ist zur Agrar-Statistik aus dem Jahr 1837 festzuhalten, dass sich die Landwirtschaft aus den Zwängen löst, den Grundbedarf der eigenen Bevölkerung decken zu müssen. Die Entwicklung geht weg von einer Landwirtschaft, welche als Mittel zur Existenzsicherung der Bevölkerung dient, schrittweise hin zu einer ertrags- und profitorientierten Tätigkeit. Betrachtet man die gesamte landwirtschaftliche Produktion – also nicht nur den Getreideanbau – in der Ebene des Elsass, führt einen die Statistik aus dem Jahr 1837 weg vom trügerischen Bild einer Ebene, in welcher nur Getreide angebaut wurde. Vielmehr muss eine ausgeprägte Mischkultur festgestellt werden, die für die Zeit Modellcharakter hat.

Archive :

  • Archives départementales du Bas-Rhin 11 M 100-109.
  • Archives départementales du Haut-Rhin  7 M 8-9.

Quellen :

  • JUILLARD (Etienne), La vie rurale dans la plaine de Basse-Alsace. Essai de géographie sociale, Strasbourg-Paris, 1953, p. 26-65 et 199-219.
  • BOEHLER (Jean-Michel), Démographie et vie rurale en Basse-Alsace : l’exemple du Kochersberg (1648-1836), th. 3e Cycle, dactyl., Strasbourg , 1973, t. III,  p. 249-285 et Une société rurale en milieu rhénan : la paysannerie de la plaine d’Alsace (1648 – 1789), Strasbourg, 1994/1995, t. I, p. 114-128 et   683-968.
  • VOGT (Jean), « Organisation des terroirs et évolution des cultures » in Histoire de l’Alsace rurale, dir. J-M. Boehler, D. Lerch et J. Vogt, Strasbourg,  1983, p. 227-236.

Übersetzung: Karin Casanova

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