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Das Elsass als Grenzprovinz: die Feldzüge Turennes (1674-1675)

Das Elsass als Grenzprovinz: die Feldzüge Turennes (1674-1675) Vergrößern

Eigenschaften

Autor und Institut Jean-Michel Boehler
Historische Zeiträume Frühe Neuzeit
Themen Bewaffnete Konflikte
CartographeJean-Philippe Droux, ARCHMIEDE, CNRS
SkalaAlsace
Entstehungsdatum2000
Datum der letzten Änderung2009
QuelleCarte originale
Diese Karte zitierenJean-Michel Boehler, « Das Elsass als Grenzprovinz: die Feldzüge Turennes (1674-1675) », in Atlas historique d'Alsace, www.atlas.historique.alsace.uha.fr, Université de Haute Alsace, 2009

Erläuterungen zur Karte

Das Elsass als Grenzprovinz: die Feldzüge Turennes (1674-1675)

Das Gegenstück zum Belagerungskrieg, den die flandrische Armee unter dem Kommando von Condé in Holland führte, war zwischen März 1674 und Juli 1675 ein Bewegungskrieg, den Turenne zu beiden Seiten des Rheins gegen die miteinander verbündeten Truppen des Kaisers und Lothringens befehligte. Die Kriegshandlungen fanden also an zwei Fronten statt. Um sie zu unterscheiden, spricht man vom „Holländischen Krieg“ (der bereits 1672 losgetreten worden war) und vom „Brandenburgischen Krieg“ an den Ufern des Rheins. Turenne sah sich hier einer doppelten Schwierigkeit gegenüber: Einerseits musste er hinnehmen, dass man seine Truppen reduzierte, um Verstärkungen nach Holland zu schicken; andererseits war er der Meinung, Ludwig XIV., der den Krieg in der Franche-Comté zur Priorität erhoben hatte, halte ihn zu kurz mit Truppenverstärkungen von dort. Hinzu kam, dass die Beziehungen zwischen der Krone und Straßburg überaus gespannt waren. Dazu trug vor allem eines bei: Die Stadt konnte entscheiden, ob sie die Rheinbrücke in Kehl für die Kaiserlichen öffnete (wie ab dem 1. September 1674) oder aber schloss, womit sie mehrmals den Schlüssel zur Lösung des Konflikts in der Hand hielt. Das ganze Genie Turennes bestand nun darin, den König davon zu überzeugen, dass von der Pfalz her die Gefahr eines Einfalls der alliierten Truppen drohte und es deshalb notwendig war, das zu großen Teilen zum Königreich gehörende Elsass zu halten, indem man es gegen eine solche Invasion schützte.

Der erste Feldzug (von März bis Juni 1674) beschrieb eine große kreisende Bewegung, die in der Pfalz einsetzte und dann über das Elsass sowie später über die rechte Rheinseite hinweg zog. Turenne kam aus Lothringen und hatte in Zabern/Saverne und Hagenau Lager gemacht. Von dort aus schickte er sich an, das vom Feind besetzte Germersheim einzunehmen. Zunächst drängte er den Gegner auf der Länge des gesamten Piemont der Vogesen zurück und zwang ihn dann, den Rhein auf der Höhe von Rheinfelden zu überqueren. In Sinsheim siegte er zwar, doch dieser Erfolg reichte für eine endgültige Entscheidung des Konflikts nicht aus. Diese brachte ihn dazu, die Pfalz einer systematischen Plünderung preiszugeben – ein Entschluss der über lange Jahre hinweg die antifranzösischen Ressentiments auf Seiten der deutschen Fürsten befeuerte.

Der zweite Feldzug (vom Herbst 1674 bis zum Sommer 1675) spielte sich größtenteils hinter der Vogesenlinie ab. Der Konflikt streifte zunächst das Outre-Forêt (Hinterm Wald), einen Teil vom Kochersberg sowie des Breuschtals, um dann am 10. Oktober 1674 in die Schlacht von Entzheim zu münden. Dieser Kampf markierte einerseits das Ende der alliierten Offensive, andererseits aber sollte er auch die Unmöglichkeit sichtbar machen, den Gegner auf der rechten Rheinseite festzusetzen. Angesichts eines zahlenmäßig überlegenen Feindes blieb so nur der Rückzug über Hochfelden, Dettweiler und Ingweiler; Winterlager entlang der Westseite der Vogesen schlossen sich an. Nach einem zähen Marsch auf Remiremont und Belfort kam die Armee Turennes schließlich Ende Dezember im Oberelsass an (Gefecht von Brunstatt am 29. Dezember 1674) und trug am 5. Januar 1675 den Sieg in Türkheim davon. Dieses kühne Manöver mitten im Winter zwang den brandenburgischen Kurfürsten dazu, sich über den Rhein zurückzuziehen – mit dem Leichnam des Kurprinzen im Gepäck. Die sich ihrem Ende nähernden Kampfhandlungen verlagerten sich im Sommer 1675 dann in die Region von Schlettstadt/Sélestat und Erstein. Schließlich stellte man dem Feind auf Reichsgebiet nach und zwar bis nach Altenheim und dem in der Nähe von Offenburg gelegene Sasbach, wo Turenne am 27. Juli 1675 fiel.

„Schlächter der Pfalz“ oder „Befreier des Elsass“? In Deutschland wie in Frankreich sind sich die Historiker in ihrer Einschätzung Turennes nicht einig. Diese Ambivalenz zeigt sich auch in dieser Karte, denn sie beleuchtet nicht nur die Ereignisgeschichte im engeren Sinne. Was sie an leicht zugänglichen Informationen bereitstellt, sollte vielmehr in der Alltagserfahrung jener Menschen gespiegelt werden, die Teilnehmer an einem der letzten Kriege „alten Stils“ waren. Auf den ersten Blick scheint es so, als seien die Armeen im Takt ihrer Märsche und Rückzüge unaufhörlich in Bewegung gewesen. Tatsächlich aber machten sie häufig Station, in Abhängigkeit von den Jahreszeiten etwa mal für kurze, mal für längere Zeit. Mit kurzen Lagern konnte verbunden sein, dass von der Bevölkerung bestellte Felder aufgegeben mussten oder landwirtschaftliche Produktionsmittel zerstört wurden. Aber auch die längeren „Winterquartiere“ konnten schwerwiegende Folgen haben. Jede Nachschuborganisation, die diesen Namen verdient hätte, fehlte; deshalb galt das Motto „Der Krieg ernährt den Krieg“. Dabei mussten – ob nun auf der Basis von Freiwilligkeit oder mit Gewalt – Abenteurer (und ihre Pferde) untergebracht werden, die sich mit dem Schwur absoluter Treue einem Kriegsunternehmer verpflichtet hatten. Diese Treue war in ihrer Intensität nur noch mit den Zwängen des bloßen Überlebens vergleichbar, und diese Zwänge wiederum bestimmten das Handeln noch vor jedem Gedanken daran, sich am Krieg zu bereichern. Aus diesem Wahnsinn der Zerstörung und des Raubs konnten jederzeit systematische Plünderungen erwachsen. Diese wurden nicht nur zu einem Ziel an sich, die Situation produzierte auch den häufig mit den Plünderungen einher gehenden Vandalismus und die charakteristischen Ausbrüche der Gewalt. In dieser Logik lag begründet, dass das „Rechts des Krieges“ den Sieg über das „Rechts des kleinen Mannes“ davon trug. Schließlich muss auf die Verbindung zwischen Krieg, Hungersnot und Epidemien hingewiesen werden. In der Anrufung der Heiligen – „A peste, bello et fame, libera nos Domine!“ – nahm diese Trilogie einen prominenten Platz ein; als letzte Rettung blieb nur das Bittgebet zu Gott. Der Krieg war also alles andere als ein autonom agierendes, sich auf einzelne Ereignisse beschränkendes Phänomen ohne kausale Wirkungen. Er offenbart sich uns vielmehr als ein „totaler Krieg“, den die Bevölkerungen jeden Tag leidvoll erfahren mussten und der sich in die lange Dauer einschrieb. Langfristig gesehen veränderte er nicht nur das demographische Gleichgewicht, sondern wirkte verändernd bis in die Strukturen von Eigentum, Gesellschaft und Ökonomie im Elsass hinein.

Quelle:

Die Karte beruht auf Informationen des Generals LEGRAND-GIRARDE, Turenne en Alsace. Campagne de 1674-1675, Paris-Nancy, 1910.

Literatur:

  • CORVISIER (André), Armées et sociétés en Europe de 1494 à 1798, Paris, PUF, 1976; ders. Les hommes, la guerre et la mort, Paris, Economica, 1985; ders., La guerre. Essais historiques, Paris, PUF, Reihe „Histoires“, 1995.
  • BELY (Lucien) / BERENGER (Jean) / CORVISIER (André), Guerre et paix dans l’Europe du XVIIe siècle, Paris, SEDES, Reihe „Regards sur l’histoire“, 1991, 1. Bd.
  • BOEHLER (Jean-Michel), Une société rurale en milieu rhénan. La paysannerie de la plaine d’Alsace (1648-1789), Strasbourg, Presses universitaires, 1994, 1. Bd., S. 167-242; ders., « Les guerres au quotidien dans les villages du Saint Empire au XVIIe siècle », in: Les villageois face à la guerre, XIVe, XVIIe siècle, Journées internationales d’histoire de l’abbaye de Flaran (September 2000), Tagungsband, Toulouse, Presses universitaires du Mirail, 2002, S. 65-88.

Übersetzung: Falk Bretschneider

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