Historischer Atlas des Elsass, die Geschichte des Elsass in Karten
Eigenschaften
Autor und Institut | René Bornert | |
Historische Zeiträume | Hoch- und Spätmittelalter - Frühe Neuzeit | |
Themen | Religion | |
Cartographe | Jean-Philippe Droux, ARCHMIEDE, CNRS | |
Skala | Alsace | |
Entstehungsdatum | 2010 | |
Datum der letzten Änderung | 2010 | |
Quelle | Carte originale | |
Diese Karte zitieren | René Bornert, « Die Elsässer Kapitel », in Atlas historique d'Alsace, www.atlas.historique.alsace.uha.fr, Université de Haute Alsace, 2010 |
Erläuterungen zur Karte
In seiner Grundbedeutung meint „Kapitel“ (lat. capitulum, frz. chapitre) den Text eines Kapitels einer religiösen Regel, der in einer gemeinschaftlichen Versammlung vorgelesen wird. In einem erweiterten Sinn weist der Begriff zunächst auf den Kapitelsaal hin, in dem diese Versammlung und dieses Vorlesen stattfinden. In einer zweiten Erweiterung bezeichnet das Wort schließlich eine Gruppe von männlichen oder weiblichen Geistlichen, die eine Gemeinschaft, eine Kongregation oder einen Orden formen und nach einer religiösen Regel (gewöhnlicher Weise die Augustinerregel) leben. Es kann aber auch einen Zusammenschluss von Klerikern umschreiben, die unter der Leitung und in Abhängigkeit von einem Diözesanbischof zusammenleben.
Im Elsass, wie anderswo, sind die Kapitel (die im Deutschen häufig „Stifter“ genannt werden) auf drei unterschiedliche Weisen entstanden:
Für das Literaturverzeichnis und eine detaillierte Darstellung jedes einzelnen Kapitels wird auf BORNERT (René), Les monstères d’Alsace, 6 Bde. in 7 Teilen, Straßburg 2009-2010 (im Druck) verwiesen. Ders., Art. „Chapitre“, in: Dictionnaire historique des institutions de l’Alsace, Bd. 3 (Buchstabe C), Straßburg, 2011.
Diese Kapitel lassen sich in drei Kategorien einteilen, je nach dem, ob sie in der karolingischen Periode die Nachfolge einer ursprünglichen Klostereinrichtung angetreten haben, im Mittelalter an eine Benediktinerabtei angrenzten oder aber in der Frühen Neuzeit aus einem säkularisierten Benediktinerkloster hervorgegangen sind.
1. Kapitel in der Nachfolge einer ursprünglichen Klostereinrichtung
Im Prinzip hatten die Synoden von Aachen 816 und 817 für das Karolingerreich eine klare Trennung zwischen dem Mönchsstatus und dem Leben als Kanoniker eingeführt. Mönche und Nonnen waren verpflichtet, der Regel des heiligen Benedikt zu folgen, Chorherren und -frauen hingegen sollten die Augustinerregel anwenden. Die praktische Umsetzung dieser Entscheidung brauchte eine gewisse Zeit und wurde nach und nach verwirklicht. Eine erhebliche Anzahl von bereits vorher gegründeten Klöstern – von der deutschen Historiographie „Frühklöster“ genannt – entschied sich für eine kanonische Lebensform, als Regularkanoniker oder -kanonikerinnen. Die folgende Liste ordnet diese Kapitel in der chronologischen Folge ihrer ursprünglichen Gründung als Kloster, weist – wenn dies der Fall ist – auf das bekannte oder ungefähre Datum hin, an dem tatsächlich der Status als Chorherrenstift angenommen wurde, und gibt schließlich den Zeitpunkt ihres Verschwindens an. Ein Fragezeichen macht auf eine unsichere oder hypothetische Einschätzung aufmerksam.
Chorherren
Kanonissen
2. An eine Benediktinerabtei angrenzende Stiftskapitel
3. Säkularisierte Benediktinerabteien (Männer und Frauen) vom 15. bis 18. Jahrhundert
Benediktinerabteien
Benediktinerinnenabteien
1. Chorherren außerhalb jeder Kongregation
2. Zu einer Kongregation oder einem Stiftsorden zusammengeschlossene Stiftskapitel
Marbacher Kongregation
Chorherren
Kanonissen
Windesheimer Kongregation
Mehrere Stiftskapitel des Marbacher Ordens traten der Windesheimer Kongregation bei, die 1387 durch die „Brüder vom gemeinsamen Leben“ gegründet und 1395 durch Papst Bonifatius IX. bestätigt wurde sowie Trägerin der Devotio moderna („neue Frömmigkeit“) war.
Prämonstratenser-Orden
1121 vom heiligen Norbert von Xanten in Prémontré (Departement Aisne) gegründet, verbreiteten sich die Prämonstratenser-Chorherren oder „Norbertiner“ vor allem in Deutschland, nachdem ihr Gründer 1126 zum Erzbischof von Magdeburg ernannt worden war. Der Prämonstratenser-Orden war im Elsass durch drei Ordenshäuser vertreten:
Steigerherren
Kongregation der Chorherren zum Grand Saint-Bernard
Augustiner-Stiftsdamen (Chanoinesses régulières de Saint-Augustin de la congrégation de Notre-Dame)
1597 vom heiligen Pierre Fourrier und der seligen Alix Lecler gegründet, etablierten sich die Augustiner-Stiftsdamen 1692 in Straßburg (wo sie bis heute existieren) und von 1621 bis 1790 in Zabern.
3. Exkurs: Nicht alle „Augustiner“, die der Regel des heiligen Augustinus nachfolgten, waren Kanoniker und bildeten Kapitel
Das Vierte Laterankonzil (1215) schrieb allen neuen Orden vor, eine der vier bereits bestätigten religiösen Regeln anzunehmen (Regel des heiligen Basilius, Regel des heiligen Augustinus, Regel des heiligen Benedikt oder Regel des heiligen Franz von Assisi). In der Nachfolge dieser Entscheidung wurde von den Päpsten mehreren Orden die Regel des heiligen Augustinus auferlegt, ohne dass diese Orden deshalb den Augustiner-Chorherren gleichgestellt wurden.
Augustiner-Eremiten
Die Augustiner-Eremiten gingen 1256 aus einer Zusammenlegung verschiedener Eremiten-Gruppen durch Papst Alexander IV. hervor und wurden der Regel des heiligen Augustinus unterstellt. 1274 wurden sie durch das Zweite Konzil von Lyon bestätigt. 1298 vereinigte sie Papst Bonifatius VIII mit den Bettelorden.
Im Elsass hatten die Augustiner-Eremiten Klöster in Straßburg (1265-1534), Hagenau (1268-1790), Mülhausen (1268-1523), Weißenburg (Wissembourg) (1279-1526, 1684-1790), Rappoltsweiler (Ribeauvillé) (1297-1527, 1657-1790) und Kolmar (1316-1790).
Wilhelmiten
Den durch Wilhelm von Malavalle († 1157) in der Toskana gegründeten Eremiten, die sich auf seinen Namen beriefen, wurde zunächst um 1223 in Ausführung der Vorschriften des Vierten Laterankonzils die Regel des heiligen Benedikt auferlegt. 1256 führte dann Papst Alexander IV alle Gruppierungen von toskanischen Eremiten im Einheitsorden der Augustiner-Eremiten unter der Regel des heiligen Augustinus zusammen. 1266 erlaubte schließlich Papst Clemens IV. die Rückkehr einzelner Wilhelmiten-Klöster in den Orden des heiligen Wilhelm.
Die 1255 in Marienthal errichtete jungen wilhelmitische Gründung gehörte dazu. Nach kurzer Zugehörigkeit zu einem Bettelorden (1256-1266) fand die Gemeinschaft der Wilhelmiten von Marienthal zu ihren eremitischen und monastischen Eigenheiten unter der Regel des heiligen Benedikt zurück. Dabei bewahrte sie sich jedoch durch ihr Engagement in der Volks- und Gemeindeseelsorge eine gewisse Nähe zu den Bettelorden. Die Muttergemeinschaft in Marienthal gab diese besondere Ausrichtung auch an ihre Tochtergründungen weiter, zunächst an Saint-Guillaume in Straßburg (1298) und später innerhalb der Stadt Hagenau (1311).
Spitalorden vom heiligen Geist
1170 beim Hospital vom heiligen Geist in Montpellier gegründet, wurde den Spitalchorherren vom heiligen Geist durch Papst Gregor XI 1372 die Regel des heiligen Augustinus auferlegt, ohne dass sie deshalb aufhörten, einen Spitalorden zu bilden. Im Elsass unterhielten die Spitalchorherren vom heiligen Geist die Hospitäler in Stephansfeld (um 1229-1772) und in Rufach/Rouffach (1270).
Antoniter
Die Antoniter folgten der Regel des heiligen Augustinus seit 1247. Gleichzeitig hörten sie aber nicht auf, einen Spitalorden zu bilden. Im Elsass waren sie in Isenheim (um 1284-1777), Straßburg (1277) und Drei Ähren (Les Trois-Épis, 1660) ansässig.
1. Domkapitel
Die im Dienst des Straßburger Münsters stehenden und den bischöflichen Rat bildenden Klerikern nahmen um 778 ein Leben in Gemeinschaft an, wie es vom heiligen Chrodegang, Bischof von Metz (742-766), organisiert worden war.
Großkapitel des Straßburger Münsters: 780?-1790
Das Großkapitel des Münsters bildete seit dem 10. Jahrhundert eine autonome juristische Person, die ihre eigene Verwaltung wahrnahm und Güter besaß. Das gemeinschaftliche Leben wurde bereits ab dem Jahr 1060 aufgegeben oder auf stark symbolische Formen reduziert. Im Laufe des 12. Jahrhundert erwarb das Kapitel das Recht, frei werdende Domherrenstellen selbst zu besetzen, während der Papst den Propst ernannte, das Kapitel den Dekan wählte und der Bischof den Kustoden und den Scholasten bestimmte. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts zählte das Kapitel laut seinen Statuten 24 Mitglieder, etwas später waren es 36. Tatsächlich schwankte die Zahl der Domherren zwischen 30 und 50. Ab dem 13. Jahrhundert waren die Domherrenstellen ausschließlich für Angehörige des Hochadels reserviert, die in der Lage waren, 16 adlige Ahnen nachzuweisen. Aus diesem Grund waren Straßburger Patrizier vom Kapitel ausgeschlossen und Angehörige des Elsässer Adels in ihm nur schwach vertreten. Einzig Familien wie die Geroldseck, die Lichtenberg, die Ochsenstein oder die Horbourg konnten vereinzelt Delegierte ins Kapitel entsenden. Im französischen Ancien Régime wurde diese Ordnung der Dinge streng beachtet. Eine Ordnung aus dem Jahr 1687 reservierte ein Drittel der Domherrenstellen, also acht von 24, für französische Familien. Wahrscheinlich ab dem 12. Jahrhundert, ganz sicher aber ab dem 13. Jahrhundert wählte das Kapitel den Bischof. Nachdem das Elsass zum Königreich Frankreich gekommen war, beließ die Regierung das Kapitel in diesem exklusiven Recht, unterstützte gleichzeitig aber ihre eigenen Favoriten – den Fürstenberg und den Rohan – beim Erwerb der Bischofswürde.
Hoher Chor des Straßburger Münsters: 1200?-1790
Spätestens seit dem beginnenden 13. Jahrhundert übernahmen die Herren vom Hohen Chor den Chordienst von den Würdenträgern des Großkapitels, die ihn nicht mehr ausübten. Ihre Anzahl stieg nach und nach von ursprünglich neun Mitgliedern auf 63 Assoziierte am Ende des 14. Jahrhunderts. Die Pfründe des „Chorkönigs“, die 1014 von Kaiser Heinrich II. gestiftet worden war, war die ehrenvollste Würde. Der Gemeindedienst wurde von den zahlreichen Klerikern der Pfarrgemeinde St. Laurentius übernommen.
2. Kollegiatstifte
Kapitel St. Thomas in Straßburg: 800?-1524
Wahrscheinlich unter Bischof Adaloch (nach 780-vor 816) gegründet, wurde das Kloster St. Thomas zunächst von einem Abt geleitet. Um die Mitte des 10. Jahrhunderts wird in den Texten nach und nach eine Organisation als Kapitel sichtbar. Die Gemeinschaft der Brüder (fratres) bzw. Chorherren (canonici) wurde von einem Propst (praepositus) geleitet. 1163 wohnten die Chorherren in individuellen Häusern. 1359 wurde das Leben in Gemeinschaft aufgegeben. Das Kapitel St. Thomas rekrutierte sich im Wesentlichen aus dem städtischen Patriziat. Um 1524 herum, in den Anfangsjahren der Reformation, übernahm die „älteste Tochter des Münsters“ unter dem Einfluss der Reformatoren Martin Bucer und Wolfgang Capiton rasch das „Neue Evangelium“.
Kapitel St. Peter der Jüngere in Straßburg: 1031-1790
Das Kloster St. Peter wurde 1031 von Bischof Wilhelm für das gemeinschaftliche Leben von acht Chorherren gestiftet. Der Stiftungstext macht die zu jener Zeit noch schwankende Begrifflichkeit zwischen Klosterinstitutionen und Einrichtungen mit Stiftscharakter deutlich. Bischof Hermann oder Hetzel erhöhte die Zahl der Chorherrenstellen auf 14. Das Kapitel wurde später „der Jüngere“ genannt, um es vom Kapitel St. Peter „der Ältere“ zu unterscheiden.
Kapitel St. Peter der Ältere in Straßburg: 1398-1790
Die Bischofskirche St. Peter der Ältere wurde zum Sitz eines Kollegialstifts nur durch den Umstand, dass 1398 das Kapitel St. Michael von Rheinau, das sich bis 1290 in Honau befunden hatte, übertragen wurden. Ab diesem Zeitpunkt trug das Kapitel den Namen „St. Michael und St. Peter der Ältere“. Es zählte etwa 20 Chorherrenstellen und wurde, wie sein Namensvetter „der Jüngere“, ein Zentrum des Widerstands gegen die protestantische Reformation.
Kapitel St. Martin in Kolmar: 1234-1790
Die Kirche St. Martin war ursprünglich eine einfache Kapelle im Hof der Abtei von Münster im Sankt-Gregor-Tal. Zur Stiftskirche wurde sie 1234 erhoben, ihre Statuten erhielt sie 1237. Der Abt von Münster behielt seine Patronatsrechte und seine Stellung in der Rangordnung. Das Kollegium der Säkularkanoniker (canonici saeculares) wählte den Propst (praepositus), der anschließend vom Münsteraner Abt in sein Amt eingeführt wurde. Dieser ernannte auch unmittelbar den Dekan, ohne dass die Chorherren durch ein Votum in die Entscheidung einbezogen wurden. Neue Mitglieder kooptierten die Chorherren selbst, eingesetzt wurden sie nach Leistung des Eids durch den Dekan. Im 13. Jahrhundert betrug die Zahl der Chorherren 16, die der Kaplane sechs. 1440 wurden aufgrund zurückgehender Einkünfte vier Chorherrenstellen gestrichen. 1791 wurde die Stiftskirche St. Martin zur Kathedrale des neuen, im Zuge der Zivilverfassung des Klerus errichteten Bistums Oberrhein erhoben.
Übersetzung: Falk Bretschneider
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